HAIFISCHE DRESDEN SÜD-WEST. Presseecho.

Sächsische Zeitung

Plauenscher Grund hat jetzt Freiluft-Kunst
Die Künstlergruppe Haifische Dresden Süd-West installiert vergängliche Werke rund um den Haltepunkt Plauen

„Bitte beißen Sie an“: Mit diesen Worten hat Birgit Schuh am Pfingstsonntag gemeinsam mit zahlreichen Künstlern der Gruppe „Haifische Dresden Süd-West“ den sogenannten Freiluftkunstraum im Plauenschen Grund eröffnet.

Rund um den Haltepunkt Plauen und die Bienertmühle wurden Werke installiert, die sich „mit der spannenden Geschichte des Areals und des Flusses auseinandersetzen“, so Birgit Schuh. Dazu gehört beispielsweise die Licht-Installation der Leipziger Künstlerin Susanne Kaiser. „Flashback“ heißt ihr Werk, Erinnerung. Ausgelöst durch einen vorbeifahrenden Zug, blitzen Wortfetzen auf. „Es handelt sich um einen fragmentarischen Erinnerungstext einer Frau, die eine Bombardierung miterlebt hat“, erläutert Susanne Kaiser ihr Werk. Es wird etwa ein Jahr lang dort angebracht sein. Auch die anderen Werke haben nur eine begrenzte „Haltbarkeit“. Der Freiluftkunstraum soll regelmäßig neue Impulse bekommen. „Wir machen keine Stadtteildekoration, sondern wollen uns bewusst auch mit den Brüchen, dem Verfallenen, hier im Viertel auseinandersetzen“, sagt Birgit Schuh. Ihr Kunstwerk, der „Schokoladenfluss“, wird aufgrund von Bauarbeiten voraussichtlich am 25. September eröffnet. Dunkelbraune Pflastersteine „in der Gosse“ sollen an die Bedeutung der Schokoladenindustrie in Plauen erinnern. Jeweils zu Pfingsten sollen dann wieder neue Werke installiert werden, kündigte sie an.

Sächsische Zeitung, Iris Hellmann, 14.6.2011, Seite 10.

Dresdner Kultur-magazin

SUnken Street und Schokofluss

Anke Binnewerg und Birgit Schuh erwecken den Plauenschen Grund mit einem Freiluftkunstraum aus dem Dornröschenschlaf

Malerische Hügellandschaft, sanfte Täler, stolze Felsen, unberührte Natur: Das war einmal. Der Plauensche Grund mutet mit Wildwuchs und Industrieruinen nicht unbedingt wie ein einstiger genius loci der Kunstgeschichte an. Seit 2007 haben sich die Künstlerinnen Anke Binnewerg und Birgit Schuh daran gemacht, das Gebiet künstlerisch wachzuküssen. Ihr Freiluftkunstraum versammelt fürs erste vier Arbeiten unter freiem Himmel. Anke Binnewerg verlegt unter anderem mit »sunken street« den Straßenverlauf optisch in die Weißeritz und Birgit Schuh formt mit »Schokofluss« ein täuschend echtes Schokoladenbächlein, das auf die Zeiten der Schokoladenindustrie in Plauen erinnert. Der Freiluftkunstraum wird im Juni eröffnet. DRESDNER-Autorin Sandra Erber sprach mit den Künstlerinnen.

Wie ist die Idee entstanden, im Plauenschen Grund Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren?
Birgit:
Als ich 2007 den Plauenschen Grund für mich entdeckt habe, war ich überrascht welche Geschichte in dem Gebiet steckt. Die Kunst war dort seit der Romantik bis ins 20. Jahrhundert hinein beheimatet. Vor allem die Mäzenin Ida Bienert hat Künstler gezielt gefördert und in das Gebiet geholt. Ich dachte, dass das gute Voraussetzungen sind, um daran anzuknüpfen und dort erneut Kunst zu etablieren.
Anke:
Mir kam das Gebiet immer wie ein richtiges Eldorado vor: Keine Menschenseele, man kann tun und lassen was man will. Unsere Konzepte haben sich Stück für Stück entwickelt. Später haben wir auch andere Künstler gefragt, ob sie Projekte umsetzen wollen und mit der Zeit hat sich herauskristallisiert, welche davon realisierbar sind.

Welche Hindernisse sind bei der Realisierung des Projektes aufgetaucht?
Anke:
Es fällt einem nicht unbedingt in den Schoß, aber wir können uns insgesamt nicht beschweren. Allerdings müssen wir uns auch jetzt noch ständig um Geld und Förderungen bemühen, weil man bestimmte Dinge in der Planung nicht vorhersehen kann. Seit Beginn sind wir aber auf reges Interesse seitens des Kulturamtes gestoßen, das auch maßgeblich daran beteiligt war, das Projekt »Trichter« von Franka Hörnschemeyer durchzuboxen.

Was reizt euch an künstlerischen Projekten im öffentlichen Raum?
Birgit:
Mich interessiert die Auseinandersetzung mit dem spezifischen Ort und die Hintergrundbeziehungen eines Raumes. Deshalb wollte ich im Plauenschen Grund auch keine austauschbare Arbeit installieren. Bei der Umsetzung passieren oft unvorhergesehene Dinge, die jeden Tag eine kleine Anpassungsleistung an die Gegebenheiten erfordern. Dazu braucht man viel Offenheit und auch eine Portion Humor, sonst wird man verrückt.
Anke:
Das Ganze ist bis zuletzt mit einem gewissen Risiko behaftet, was aber auch spannend ist. Man arbeitet mit der Stadt wie mit einem Material, das einem immer neue Möglichkeiten und Zufälle bietet.

Wie sehen eure weiteren Pläne aus und wie fiel bisher die Resonanz dem Projekt gegenüber aus?
Anke:
Es gibt bereits ein neues Konzept für 2012. Da sind mittlerweile Ideen im Spiel, an die wir niemals gedacht hätten. Das Projekt soll keine einmalige Sache sein, sondern wir wollen den Plauenschen Grund als Freiluftkunstraum etablieren. Wir haben bisher auch schon einige Begehungen mit Künstlern aus ganz Deutschland unternommen. Da sind Leute aus Hamburg, Köln und Berlin angereist und waren begeistert. Das hat uns auch immer wieder bestärkt uns in unserem Vorhaben bestätigt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Eröffnung am 12. Juni, 16 Uhr, Triangel an der Brücke Altplauen/ Hofmühlenstraße. Zur Freiraumbesetzung Picknickdecken mitbringen!

DRESDNER Kulturmagazin, Juni 2011, S. 22

Blitz!

Wie ein Hai in der Weißeritz

Der Stadtteil Plauen im Dresdner Süd-Westen gehört nicht zu denen, von denen jeder Einheimische sofort weiß, wo er sich befindet.

Dabei ist es nur ein Katzensprung von hier zum Hauptbahnhof. Gerade einmal fünf Minuten braucht die S-Bahn für die Strecke und doch ist Plauen irgendwie ins Abseits geraten. Doch das war nicht immer so: Der Stadtteil hat in Dresdens Geschichte eine wichtige Rolle gespielt…

„Haifische Dresden Süd-West“ haben die bildenden Künstlerinnen Birgit Schuh und Anke Binnewerg ein Projekt benannt, an dem sie seit 2009 arbeiten. Den Räuber des Meeres erkoren sie aus gutem Grund zum Namensgeber: Ihre Kunst soll ein Fremdkörper sein, so wie es ein Hai in der Weißeritz wäre.

Die Idee für das Haifisch-Projekt kam Birgit Schuh, als sie 2007 nach Dresden zog. Nach Dresden-Plauen, um genauer zu sein. Schnell fand sie heraus, dass der heute vernachlässigte Stadtteil eine reichhaltige kulturelle Geschichte vorzuweisen hat: Hier gab es bronzezeitliche Siedlungen, die Romantiker wanderten durch den Grund, die Sachsenkönige nutzten ihn zum Feiern, später folgte die Industrialisierung. Alles Stationen einer Entwicklung, von der heute nur noch wenige Zeugnisse künden. Noch wissen viele Dresdner zum Beispiel von der Mäzenin Ida Bienert, in deren Villa am Eingang des Plauenschen Grundes Paul Klee, Walter Gropius, Otto Dix, Conrad Felixmüller, Oskar Kokoschka, Mary Wigman oder Gret Palucca zu Gast waren. Das Haus ist heute eine Ruine, irgendwann wird es verschwunden sein…

Als Birgit Schuh Anke Binnewerg, Galeristin des Kunstbahnhofs im Plauenschen Grund, kennenlernte, entdeckten die beiden Frauen schnell ihr gemeinsames Interesse für die Geschichte des Viertels. Sie formten daraus ihr Kunstprojekt, das in seiner ersten Stufe aus vier Objekten bestehen wird. Birgit Schuh hat einen Schokoladenfluss erdacht, der daran erinnern soll, dass es in Plauen eine Schokoladenindustrie gab und die süße Köstlichkeit von hier aus ihren Siegeszug durch Europa antrat. Anke Binnewerg thematisiert in ihrem Werk „Sunken Street“ (Versunkene Straße) die Wechselwirkung zwischen Weißeritz und der an dieser entlang verlaufenden Tharandter Straße. Wasser und Verkehrsweg wechselten oftmals die Plätze, beschränkten einander und wurden eins – symbolisiert wird dies, durch Fahrbahnmarkierungen am Grunde des Flusses.

Das Werk „Flashback“ der Leipzigerin Susanne Kaiser beruht auf den traumatischen Erlebnissen einer Frau, die 1945 an einem Bahnhof den Bombenangriff auf die Stadt erlebte. Durch vorbeifahrende Züge ausgelöst, ruft eine LED-Tafel dieses Ereignis ins Gedächtnis zurück. Nach einiger Zeit verblassen die leuchtenden Buchstaben, so wie es auch Erinnerungen tun.

Ruth Habermehl, ebenfalls aus Leipzig, wird am Eingang zum Bienertschen Garten einen Ikebana-Automaten aufstellen. In diesem befinden sich Texte, kurze Sinnsprüche zumeist, die wie die japanische Blumenkunst das Verhältnis des Menschen zur Natur thematisieren. Sie sollen dem Empfänger der Botschaft als Ausgangspunkt für seine Meditation dienen.

Gedanken, Erinnerungen, ein fließender Bach, der Verlauf einer Straße – alles keine Dinge, die für die Ewigkeit gemacht sind. Auch die Arbeiten des Haifisch-Projektes haben nur eine begrenzte Lebensdauer, doch das ist Absicht. „Sunken Street wird wohl schon nach zwei bis drei Monaten verschwunden sein, mein Schokoladenfluss ist auf fünf Jahre geplant“, erklärt Birgit Schuh. Doch genau diese Vergänglichkeit, die Interaktion mit der Umwelt ist das, was für sie und ihre Kolleginnen den Reiz der Kunst im öffentlichen Raum ausmacht.

Wo in der Natur ein Organismus abstirbt und zerfällt, macht er Platz für einen anderen. Alles ist im Fluss und so soll es auch mit den Plauener Haifischen sein: Für dieses Jahr steht die Finanzierung. Die Bewerbungen für neue Arbeiten sind bereits eingetroffen und werden gerade gesichtet. Wenn das Projekt erfolgreich ist, wird es noch viele Jahre weiter so gehen. Und vielleicht tragen die Haifische dazu bei, dass alle Dresdner bald ganz genau wissen, wo Plauen ist. Vielleicht entdecken sie auch den malerischen Plauenschen Grund für sich wieder…

WORT: Nico Schröder
BLITZ!, 15.03.2011, Magazin, S. 8

SZ

Weißeritz wird zur Freiluftausstellung

Annechristin Kleppisch

Pfingsten eröffnet der erste Teil der Freiluftausstellung entlang der Weißeritz. Das Künstlerduo Birgit Schuh und Anke Binnewerg will zwischen der Brücke Altplauen und dem Bienert’schen Garten vier Kunstinstallationen aufstellen. Seit zwei Jahren arbeiten die beiden an dem Projekt, haben Fördergelder beantragt und mit ansässigen Vereinen gesprochen. „Wir haben viel Offenheit, Zuspruch und Vertrauen für unser Projekt bekommen“, sagt Anke Binnewerg. „Jetzt können wir endlich starten.“ Die vier Exponate sind Teil einer Dauerausstellung entlang der Weißeritz. Auf der ganzen Länge des Flusses – insgesamt über drei Kilometer – soll Kunst in die Landschaft integriert werden. Gäste können die dann vom Bienertwanderweg aus sehen. In den nächsten Jahren sollen weitere Exponate dazukommen, andere mit der Zeit verschwinden.

So ist die „Sunken Street“ – Versunkene Straße – nur zwei Monate im Flusslauf der Weißeritz zu sehen. Auf 200 Metern Länge sollen weiße Streifen aus Kieselsteinen im Flussbett liegen. „Der Kleber löst sich mit der Zeit auf, und die Kiesel werden vom Wasser weggetragen“, sagt die 33-jährige Anke Binnewerg, die sich diese Installation ausgedacht hat. Bis dahin sollen die Streifen jedoch wie eine Straßenmarkierung aussehen. „Früher wurden Straße und Flussverlauf in Plauen öfter verlegt“, sagt sie, „mit der ,Sunken Street‘ wollen wir darauf aufmerksam machen.“

Beide Künstlerinnen haben sich intensiv mit dem Fluss beschäftigt. „Viele Künstler haben sich von der Gegend inspirieren lassen“, sagt die 40-jährige Bildhauerin Birgit Schuh. Der Fluss, die schroffen Felsen, die Industrieanlagen und der Strom an Autos auf der Tharandter Straße machen das Gebiet für die beiden interessant. Dass das auch andere so empfinden, haben die zwei Künstlerinnen im Herbst gemerkt. Aus ganz Deutschland kamen 50 Künstler, um das Projekt der beiden kennenzulernen. „Viele der Gäste waren von der Weißeritz als Kunstraum beeindruckt“, sagt Birgit Schuh.

Zum ersten Teil der Ausstellung gehört neben der „Sunken Street“ auch der Schokofluss, der vor dem Bienertmuseum installiert wird. Dafür werden aus einem speziellen Betongemisch Pflastersteine gegossen, die wie Schokoladenstücke aussehen. Der Fluss soll an die Schokoladenindustrie erinnern, die in Dresden-Plauen einst zu Hause war. Zudem gibt es an der Bushaltestelle Altplauen und am Eingang der Bienert’schen Gärten Exponate.

Pfingsten wollen die beiden Künstlerinnen ihr Projekt offiziell eröffnen. Dann soll es eine Kunstperformance am Ort geben. „Später wollen wir Führungen zu den Kunstwerken anbieten“, sagt Anke Binnewerg. Das Projekt soll die Weißeritz bekannter machen und mehr Besucher nach Plauen locken. Diese können sich dann auf einer Tafel an der Bienertmühle über die Kunst informieren. Zudem sind die einzelnen Exponate mit kleinen Tafeln gekennzeichnet. „Die Gäste sollen die Weißeritz als großen Ausstellungsraum verstehen, der sich verändert und immer wieder neu entsteht“, sagt Birgit Schuh.

Sächsische Zeitung, 26.2.2011

kunstbahnhof v. 2/2008