Presseecho Public Viewing - Interventionen in Buchenwald

Sächsische Zeitung

Interventionen in Buchenwald

Anke Binnewerg aus Kurort Hartha und Susan Donath aus Dresden stellen künstlerische Ideen für die Gedenkstätte vor.

Ziegeltrümmer, Bruchstücke von Fliesen, zackige Scherben von weißen Waschbecken, verbogene Metallteile: Haufenweise grob sortiert liegen die Überreste des Operationssaales II und der Krankenbaracke III auf den Grundrissen der Gebäude im Gelände der Gedenkstätte Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar. Ausgegraben 2009, mehr als 60 Jahre nach dem Abriss. Wie aber geht man mit diesen Hinterlassenschaften um?

Präsentation wie im Baumarkt

Dieser Frage hat sich Anke Binnewerg aus Kurort Hartha aus künstlerischer Sicht genähert. Sie schlägt vor, den Bauschutt zu sortieren und wie in einem heutigen Baumarkt auf Musterflächen und -ständen zu präsentieren. So holt die 34-jährige das Grauen in die Gegenwart. "Was die Materialkultur anbelangt, handelt es sich um eine relativ nahe Zeit", sagt sie. Viele Materialien finden noch heute Verwendung, angefangen von gewöhnlichen Ziegeln über Bodenkacheln und Sanitärkeramik von Villeroy und Boch.

Was die Künstlerin dabei vor allem verstörte, und was der geplanten Installation eine gewisse Brisanz gibt, ist die von ihr festgestellte Modernität der Einrichtung: "Die Verbrechen sind in einem ordentlichen, sauberen Umfeld passiert." Das Elend wird so konterkariert. Orte von Tod und Qualen, eingerichtet vom Heimwerker.

Rege Diskussionen erhofft sich die Künstlerin, die 2007 das erste Mal in Buchenwald war, am Donnerstagabend in der ACC Galerie Weimar und ab Sonnabend in der Gedenkstätte selbst. Anke Binnewerg, die derzeit zur Denkmalpflege in ehemaligen Konzenrationslagern an der Bauhaus-Universität Weimar promoviert, und die Dresdner Künstlerin Susan Donath stellen dort ihre künstlerischen Entwürfe für den frei zugänglichen Außenbereich der Gedenkstätte vor. Die Ausstellung "Public Viewing - Interventionen in Buchenwald" ist im Keller der ehemaligen Desinfektion bis Mitte März zu besichtigen.

"Wir haben den etwas flapsigen Titel bewusst gewählt, um etwas Bewegung in die doch recht fest gefügte Art der Auseinandersetzung mit Buchenwald zu bringen", sagt Anke innewerg. "Uns geht es um einen anderen Zugang", sagt Susan Donath. Sie widmet sich zwei Orten, die außerhalb des einstigen Konzentrationslagers liegen. Einer ihrer Entwürfe sieht vor, die Straße der Nationen, die an Gedenktagen mit den Fahnen von 18 Ländern geschmückt wird, einheitlich weiß zu beflaggen. "Warum soll man hier Grenzen ziehen, die nationale Zugehörigkeit der Opfer ist doch nicht mehr wichtig", sagt die 32-Jährige, die aus Apolda stammt.

Ihre zweite Idee ist die Reaktivierung des kleinen Gartenteichs an den Ruinen der Kommandantenvilla von Karl Koch in der ehemaligen SS-Führersiedlung am Südhang des Ettersberges. Ein Springbrunnen mit einer Fontäne größer als die ursprüngliche, soll das Areal in die Jetztzeit rücken. Susan Donath: "Beides gibt es heute noch: Verbrechen und Gartenteiche."

Thomas Morgenroth, 1. Februar 2012, Sächsische Zeitung

TLZ / Weimarer Allgemeine

Sensible Interventionen

Anke Binnewerg und Susan Donath stellen Ideen für die Gedenkstätte vor

Weimar. "Mit ihrer Kunst überwölben sie nicht den Ort und seine möglichen Geschichten, um letztlich nur noch auf sich selbt zu verweisen, sich selber darzustellen. Im Gegenteil: Fast unsichtbar, und doch mit sicherer Hand, greifen sie in die Gestalt des Ortes ein, um durch dieses leichte Verrücken, dieses sanfte Umarrangieren uns die Möglichkeit zu geben ... zu stolpern." Rikola-Gunnar Lüttgenau, stellvertretender Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald, hob am Samstag bei Eröffnung der Ausstellung "Public Viewing" mit Anregungen von Susan Donath und Anke Binnewerg hervor, dass ihre "Interventionen uns neu mit den Dingen der Vergangenheit verwickeln" - und damit Denkanstöße geben.

Dabei verbleiben sie nicht in der Vergangenheit, sondern ihre künstlerischen Anregungen reichen in die Gegenwart hinein, "in unsere Blickweisen, in unsere Materialität". So nutze beispielsweise das "material board" von Anke Binnewerg "die vertrauten Präsentationsmethoden von Baumärkten, um eigene Raumvorstellungen zu evozieren, vergangene Räume vorstellbar zu machen". In ihrer zweiten Arbeit "Der Ort als Vitrine" hinterfragt Anke Binnewerg das "Konzept der Bewahrung": "Auch vermeintlich sensible Formen, etwa das Umhüllen und Einschließen von Objekten in einer Art Vitrine" haben nach Meinung der Künstlerin, "neben praktischen Problemen den Nachteil einer fragwürdigen Ästhetisierung sowie der Fixierung einer bestimmten Präsentation, die Abstand schafft und einzelne Artefakte heraushebt." Anke Binnewerg, 1977 in Freital geboren, studierte Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und promoviert derzeit an der Bauhaus-Universität Weimar bei Professor Hans-Rudolf Meier zur Denkmalpflege in ehemaligen Konzentrationslagern.

Susan Donath dagegen entwirft ein Konzept, die ursprünglich an Gedenk- und Feiertagen geschmückte "Straße der Nationen" am Ettersberg komplett mit einheitlichen weißen Fahnen zu beflaggen. Außerdem entwickelte sie die Idee "Falling Waters" für den Gartenteich auf dem Areal des ehemaligen Lagerkommandanten Karl Koch: Dieser sollte als "Gartenelement mit einem Springbrunnen, der eine Fontäne über seine Grundfläche versprüht, reaktiviert werden.". Susan Donath, 1979 in Apolda geboren, studierte Bildhauerei bei Professor Eberhard Bosslet ebenfalls an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, und ist dort heute freischaffend tätig.

Was die "Interventionen" nach den Worten von Rikola-Gunnar Lüttgenau außerdem auszeichnet, sei "ihr Wissen, dass die Verwicklung der Gegenwart mit der Vergangenheit nur temporär möglich ist. Es ist eine reversible Kunst". Aus Respekt vor der Vergangenheit. "Morgen gibt es andere Blicke, werden andere Assoziationen an den Ort mitgebracht."

Christiane Weber, 6. Februar 2012, Thüringer Landeszeitung und Weimarer Allgemeine

Thüringer Allgemeine / OTZ.de

WEiße Fahnen in BuchenwalD

In der Gedenkstätte sind ab heute künstlerische Entwürfe der Apoldaerin Susan Donath und ihrer Künstlerkollegin Anke Binnewerg zu sehen.

Mich interessieren die gesellschaftliche Realität und dabei genau die Bereiche, die wir meiden oder die uns unangenehm sind. Bereiche, die markiert sind. Ich versuche diese Makel mit meinen künstlerischen Arbeiten zu thematisieren und den Betrachter dorthin mitzunehmen, nicht um eine Illusion zu erzeugen, sondern um ihn mit einer Realität zu konfrontieren, die Teil seiner eigenen sein kann."

Das schreibt Susan Donath über ihre Kunst. Die gebürtige Apoldaerin (Jg. 1979), die als freischaffende Künstlerin in Dresden lebt und arbeitet, hat nach einer Ausbildung zum Steinmetz in Dresden Bildhauerei studiert. Seit 2007 stritt sie mit ihren Arbeiten im öffentlichen Raum immer wieder für die Erinnerung an Verbrechen und Folgen des Dritten Reiches.

2008 dokumentierte sie auf dem Friedhof im tschechischen Ústí nad Labem den Umgang mit den nur noch provisorisch gepflegten Gräbern von Deutschen. Donath setzte eine der verfallenen Grabanlagen instand und pflegt sie seit dem eigenhändig. 2009 erreichte die Künstlerin nach zähem Ringen, dass man sie die vergilbte Gedenktafel für die Opfer der Euthanasieanstalt in Pirna-Sonnenstein erneuern ließ.

Neue Arbeiten der Thüringerin sind von diesem Wochenende an auf dem Ettersberg bei Weimar zu sehen. Gemeinsam mit ihrer Dresdner Künstlerkollegin Anke Binnewerg bestreitet Donath die Ausstellung "Public Viewing -Interventionen in Buchenwald". Gezeigt werden Gedenkstätten- und Denkmalentwürfe in Form von Zeichnungen, Fotomontagen und modellhaften Anordnungen.

Während sich Binnewerg dabei vor allem mit der Neuordnung von Fundstücken und Zeugnissen beschäftigt, die bei Ausgrabungen der letzten Jahre ans Tageslicht kamen, widmet sich Donath zwei Orten außerhalb des eigentlichen Lagergeländes.

Einer ihrer zeichnerischen Entwürfe zeigt die zum Mahnmal gehörende "Straße der Nationen" am Südhang des Ettersberges. Statt der bisher bei Gedenktagen gehissten Nationalfahnen schlägt die Künstlerin eine einheitliche Beflaggung mit weißen Bannern vor. Die nationale Zugehörigkeit der Opfer sei heite nicht mehr so wichtig, sagt sie.

Ebenfalls von Susan Donath stammt die Idee, einen ehemaligen Gartenteich mit Springbrunnen im Bereich der ehemaligen SS-Villen wieder herzustellen, um so die Aktualität des Dritten Reiches zu vergegenwärtigen. Beides -Gartenteiche und Verbrechen - gebe es bis heute, so die Künstlerin.

Beide Ausstellungsmacherinnen arbeiten übrigens schon länger mit der Gedenkstätte auf dem Gebiet der archäologischen Denkmalpflege zusammen. Zum gleichen Thema promoviert Binnewerg derzeit an der Bauhaus-Uni.

Zu ihren Interventionen in der Gedenkstätte erhoffen sich die Künstlerinnen rege Diskussionen. Wie streitbar sie sein kann, bewies Susan Donath Ende 2011 mit einer Plakataktion in Dresden.

"Künstlerin - selbstständig - bezieht ALG II - alleinerziehend" stand unter ihrem Foto, das sie an einer Straßenbahnhaltestelle aushängte. Damit wollte sie auf ihre Situation als Künstlerin und Mutter aufmerksam machen.

Hanno Müller, Thüringer Allgemeine Zeitung, 4. Februar 2012,
leicht gekürzt auf OTZ.de

Neues Deutschland

Buchenwald in der Kunst

Die Sicht von Künstlern auf das ehemalige KZ Buchenwald bei Weimar steht im Mittelpunkt einer Sonderausstellung in der Gedenkstätte. Seit Samstag werden dort Entwürfe der in Dresden lebenden Künstlerinnen Anke Binnewerg und Susan Donath gezeigt. In ihren Zeichnungen, Fotomontagen und Modellen beschäftigen sie sich unter anderem mit dem Häftlingskrankenbau und der SS-Siedlung des einstigen Konzentrationslagers. In das KZ Buchenwald hatten die Nazis von 1937 bis April 1945 rund 720 000 Menschen verschleppt.

Die Ausstellung "Public Viewing - Interventionen in Buchenwald" wird bis zum 18. März im Keller des ehemaligen Desinfektionsgebäudes gezeigt.

Neues Deutschland, 6. Februar 2012

TLZ

Künstlerinnen regen neue Ideen an

Weimar. Die Künstlerinnen Anke Binnewerg und Susan Donath stellen vor Eröffnung ihrer Ausstellung "Public Viewing - Interventionen in Buchenwald" am Samstag, 4. Februar, in der Gedenkstätte (Keller der ehemaligen Desinfektion), bereits am morgigen Donnerstag, 20 Uhr, zwei ihrer Arbeiten in der ACC Galerie vor. Seit 2009 beschäftigen sich die Künstlerinnen intensiv mit dem ehemaligen Konzentrationslager. Während dieser Auseinandersetzung sind konkrete Ideen für die Außengestaltung des Geländes entstanden, die zum Nachdenken, Fragen stellen und reflektieren anregen wollen.

Eröffnung der Ausstellung in Buchenwald am Samstag, 4. Februar, um 11.30 Uhr (ehem. Desinfektion)

Thüringer Landeszeitung, 1. Februar 2012

kunstbahnhof v. 2/2008