Medienecho NEUMARKTFENSTER.

Sächsische Zeitung

FENSTER OHNE DURCHBLICK

Innere Altstadt. Die Künstlerin Anke Binnewerg hat am Neumarkt ein besonderes Projekt in die Tat umgesetzt. Dieses sorgt häufig für Aufsehen

Sechs Gebäude rings um den Neumarkt haben neue Fenster. Hindurch sehen kann man jedoch nicht. Wo normalerweise Glas ist, reihen sich Kunststoffgewebe, Putz und Lochziegel aneinander. Denn die Fenster sind nicht komplett durch die Fassade geschlagen worden. Die Tharandter Künstlerin Anke Binnewerg hat Schicht für Schicht des Baumaterials abgetragen, um zu zeigen, was sich unterhalb der Oberfläche verbirgt. „So können die Leute sehen, mit welchen Materialien die Häuser gebaut wurden“, sagt die 36-jährige. Viele wissen nicht mehr, was alt und was neu ist.“ Noch bis Mitte September können Interessierte unter die Oberfläche schauen. Dann werden die Fenster wieder geschlossen.

Bis Anke Binnewerg diese in Stein meißeln konnte, war es ein langer Weg. Zunächst hatte sie sich bei einem Wettbewerb der Dresdner Kommission für Kunst im öffentlichen Raum beworben – mit Erfolg. Ihr Projekt wurde mit 20 000 Euro gefördert. Doch es fehlten noch Eigentümer, die sich eines der „Fenster“ in ihre Fassade meißeln lassen wollten. Diese von ihrer Idee zu überzeugen, wurde für Anke Binnewerg zur größten Herausforderung.

An der Heinrich-Schütz-Residenz, am Kurländer Palais, am Landhaus, am Gebäude Rampische Straße 29, am Hotel Innside und am QF-Hotel durfte sie ihr Projekt verwirklichen. Damit niemand die freigelegten Fassadenteile beschädigt, wurden Putz und Ziegel extra mehrere Meter über dem Erdboden enthüllt. Bereits während der Arbeiten sorgten die „Neumarktfenster“ häufig für Aufsehen. „Die Passanten haben oft geschaut und gefragt“, sagt Anke Binnewerg. […]

Linda Barthel, Sächsische Zeitung, 7.8.2013  

Fassaden-technik

Blicke hinter die Fassaden
KUNSTPROJEKT IN DRESDEN

Die Künstlerin Anke Binnewerg sieht den Dresdner Neumarkt als kulissenartigen Stadtraum. Sie spricht von Gebäudehüllen, denen sie eine neue Tiefendimension verleihen will. Mit ihrem Projekt „Neumarktfenster“ hat sie einen Wettbewerb gewonnen. Ihr temporäres Kunstprojekt ist noch bis 20. September im öffentlichen Raum zu sehen.

Mit Hilfe eines Restaurators hat Anke Binnewerg an sechs Gebäuden rund um den Neumarkt, darunter auch zwei originale Bauten des 18. Jahrhunderts, ein Befundfenster angelegt. Mit Bedacht hat sie jenen Altstadtbereich gewählt, der den Besuchern heute – nach Jahrzehnten des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg – scheinbar wie aus einem Guss erscheint.  Doch unter den Oberflächen liegen wesentlich Informationen zur Baugeschichte, Konstruktion und Entstehungszeit der Gebäude verborgen.

Binnewergs Bauten regen an, über das Verhältnis von Alt und Neu, von Zerstörung und Wiederaufbau, von Vergangenheit und Gegenwart nachzudenken. Nach Projektende werden alle Fassaden wieder verschlossen.

Fassadentechnik, Ausgabe 04/13 (19. Jahrgang), Seite 6

DB Meta- morphose

KUNST, DIE TIEF BLICKEN LÄSST

Aktion am Dresdner Neumarkt

Der Streit um Rekonstruktionen am Dresdner Neumarkt hat einen neuen Impuls bekommen: Die Künstlerin Anke Binnewerg öffnet sowohl historische als auch historisierende Fassaden rund um die Frauenkirche und legt die Rohbau-konstruktion dahinter bloß.

Im vergangenen Jahr hatte sie eine öffentliche Ausschreibung der städtischen Kunstkommission gewonnen, bei der es um Konzepte für den öffentlichen Raum ging. Ihr Ansatz, nach Art eines Restaurators oder Bauforschers Befundfenster an Fassaden freizulegen, überzeugte die Jury. Vier Monate lang sind nun an einigen Gebäuden am Dresdner Neumarkt die oberen Farb- und Putzschichten entfernt, sodass der dahinterliegende Wandaufbau sichtbar wird. Auf diese Weise zeigt sich der Unterschied zwischen erhaltenen und rekonstruierten Gebäuden so deutlich, dass ihn auch ein Laie sofort erkennt. Im Falle der historisierenden Neubauten kommt es zu dem irritierenden Effekt, dass sich das Befundfenster-Prinzip umdreht und hinter „alten“ Schichten neuere zu Tage treten.

Bei einigen Bürgern rief die Aktion Unverständnis hervor. Dass man mit Steuer-geldern Neubauten beschädige, wollte ihnen nicht einleuchten. Zumindest ein erklärtes Ziel hat die Kunstkommission damit erreicht: Das Werk findet öffentliches Interesse und wird breit diskutiert.

Die Aktion läuft noch bis zum 20. September 2013. Danach werden die Befundfenster von Restauratoren wieder fachgerecht verschlossen.

Christian Schönewetter , DB Metamorphose, 15.7.2013
zum Beitrag

F.A.Z.

HINTER DER BAROCKEN FASSADE LIEGT ZEMENT

Tröstliche Attrappe: Die Künstlerin Anke Binnewerg entlarvt historisierende Bauten am Dresdner Neumarkt

Dresden ist eine geteilte Stadt. Zumindest was die Meinungen der Einwohner über so manches Bauprojekt angeht. Die Waldschlößchenbrücke zum Beispiel: 2009 hast sie die Stadt den Weltkulturerbe-Status gekostet. Mittlerweile dauert der Bau der Brücke schon zwei Jahre länger als geplant und ist 25 Millionen Euro teurer als erwartet.

Ein weiterer Dresdner Zankapfel ist der Neumarkt. Auf dem Platz rund um die 2005 vollendete Rekonstruktion der Frauenkirche sind in den letzten Jahren zahlreiche Neubauten mit historisierenden Fassaden entstanden. Nach und nach ähnelt das Panorama wieder Canalettos Bildern, die minutiös das barocke Dresden Mitte des achtzehnten Jahrhunderts zeigen – ein Traum für die Gesellschaft Historischer Neumarkt, die sich maßgeblich für den Wiederaufbau eingesetzt hat. Der Verein sieht darin „die letzte Chance“, der Stadt „ihre alte Identität zurückzugeben“.

Nicht zuletzt bei den Touristen kommt das Konzept „wiedererstandener Neumarkt“ prächtig an. Sieht jetzt alles viel netter aus auf den Fotos, fast wie früher mit Stuck und farbigen Fassaden. Kritiker setzen genau an diesem Punkt an: Kann man das machen? Zeitgenössisch bauen mit Betonplatten, Lochziegeln, Dämmwolle, Zementputz und dann so tun, als stünde das Ganze schon seit Jahrhunderten, so, als hätte es den 13. Februar 1945 nicht gegeben? Ist das Geschichtsfälschung? Sind die neuen Gebäude am Neumarkt eine tröstliche Attrappe für all jene, die Dresdens Glanz zu Augusts Zeiten nachtrauern? Und kann man einer Stadt ihre ,alte Identität zurückgeben“?

Die Künstlerin Anke Binnewerg sieht den Neumarkt als „kulissenartigen Stadtraum“; sie spricht von „Gebäudehüllen“, denen sie eine neue Tiefendimension verleihen will. Im vergangenen Jahr hat die Fünfunddreißigjährige mit ihrem Projekt „Neumarktfenster“ eine Ausschreibung der Dresdner Kunstkommission gewonnen; die Stadt unterstützt Binnewerg mit 20 000 Euro bei der Realisierung.

Mit der Hilfe eines Restaurators hat Binnewerg an sechs Gebäuden rund um den Neumarkt – darunter auch zwei originale Bauten des achtzehnten Jahrhunderts – ein Befundfenster angelegt. Innerhalb eines markierten Bereichs wurden die verschiedenen Schichten der Fassade abgetragen. Unter der gelben Außenhaut des reich verzierten Heinrich-Schütz-Hauses, das 2008 als Seniorenresidenz wiedererrichtet wurde, kommen jetzt das Putzgitter aus Kunststoff, eine Zementschicht und Lochziegel zum Vorschein. Die gleichen Materialien werden oberhalb der imitierten barocken Fenster sichtbar, die einen Bau in der Rampischen Straße aus dem Jahr 2010 zieren.  Dagegen offenbart das aus Kriegstrümmern wiederaufgebaute Kurländer Palais unter seinem Wärmedämmputz aus dem Jahr 2008 seinen im achtzehnten Jahrhundert aufgemauerten Sandstein.

Die Künstlerin öffnet mit ihrer Arbeit den Blick hinter die Fassaden:  Im Normalfall enthüllen Befundfenster, welche alten Schichten sich hinter dem Neuen verbergen, am Dresdner Neumarkt ist es andersherum. Hier entlarven sie vier der sechs Häuser, deren Fassaden allesamt historisch anmuten, als zeitgenössische Bauten. Damit wirken Binnewergs Bauten als Stolpersteine im Bewußtsein, die verhindern, dass sich die Besucher des Neumarkts einer ungebrochenen Illusion hingeben. Sie regen an, über das Verhältnis von Alt und Neu, von Zerstörung und Wiederaufbau, von Vergangenheit und Gegenwart nachzudenken und zu diskutieren, wie gelungen die Neumarkt-Lösung ist, die immerhin 2009 vom Bundesverkehrsministerium mit dem Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur prämiert wurde.

Dass es auch anders geht, beweist das Dresdner Residenzschloss. Peter Kulkas Glaskuppel über dem Kleinenm Schlosshof versöhnt gekonnt zeitgenössische und rekonstruierende Architektur (F.A.Z. vom 10. Februar 2009). Das Schlossversteckt seine Geschichte nicht – eine der Arkadenseiten des Hofes weist noch die originalen, von der Brandnachtversehrten Säulen und Bögen auf. Sie sind deutlich von den neue errichteten Bauteilen zu unterscheiden auch wenn ihr gereinigter Sandstein wieder hell und freundlich wirkt.

Ein solch offener Umgang mit der Vergangenheit fehlte dem Neumarkt – bisher.  Anke Binnewergs Projekt trifft damit einen wunden Punkt. Das gefällt nicht allen: Eigentlich sollte es noch mehr „Neumarktfenster“ geben – am Hilton-Hotel, am Polizeipräsidium, an der Kunstakademie und am Johanneum. Kurzfristig seien die Eigentümer dieser Objekte aber abgesprungen, sagt die Künstlerin, und die „Dresdner Morgenpost“ beschwerte sich unlängst, dass sich das Rathaus mit 20 000 Euro an dieser „bizarren Kunstaktion“ beteiligt habe.

Einige also werden aufatmen, wenn die „Neumarktfenster“ vom 9. September an wieder verschlossen werden. Bis dahin bringen sie aber hoffentlich eine Debatte darüber in Gang, wie es mit der Bebauung des restlichen Neumarkts weitergehen soll. Noch sind nicht alle Lücken geschlossen, die der Krieg gerissen hat – in Dresden nicht, aber auch nicht in Frankfurt oder Berlin.

Anne Kohlick , F.A.Z, 4.7.2013

Cynal

BLICKE HINTER DIE FASSADEN

 

Interview

von Katharina Groß, 13. Juni 2013, Cynal

Bauwelt

WAS TRÄGT DER NEUMARKT DRUNTER?
Eine Künstlerin öffnet Dresdner Fassaden.

Der Dresdner Neumarkt ist heiß umkämpftes Terrain. Seit Jahren streiten hier die Anhänger historisierender Rekonstruktion mit den Befürwortern von zeitgenössischem Weiterbau über die angemessene Wiederherstellung des Platzes.

Die Künstlerin Anke Binnewerg hat mit ihrer Arbeit „Neumarktfenster“, für die sie die Fassaden einiger Alt- und Neubauten am Neumarkt partiell öffnete, die Gemüter erneut heftig in Wallung gebracht.

Ende 2012 gewann Anke Binnewerg den von der Kunstkommission der Landeshauptstadt ausgeschriebenen Wettbewerb „Die alltäglich erlebte Stadt – Künstlerische Eingriffe in den Dresdner Stadtraum“. Das Konzept, mit dem die an der HfBK Dresden ausgebildete Künstlerin überzeugte: Sie wollte die in der Bauforschung übliche Methode archäologischer Befundfenster an den Häusern rund um den Neumarkt anwenden, um damit die Zeitschichten des Ensembles, die durch den historisierenden Wiederaufbau der letzten Jahre stark verwischt wurden, temporär wieder sichtbar zu machen.

Seit einem Studienaufenthalt in Vilnius interessiert sich Binnewerg für die Technik des partiellen Freilegens von überdeckten älteren Bauteilen und -schichten. In Litauen ist diese Praxis historischer Selbstvergewisserung weit verbreitet, sie ist Teil der Suche des baltischen Landes nach einer post-sowjetischen, neuen nationalen Identität. Längst sind die beliebten „Blicke hinter die Fassaden“ dort auch eine Art Gütesiegel für historische (d.h. aus vor-sowjetischer Zeit stammende) Bausubstanz. 

Anke Binnewerg gelang es, viele der unterschiedlichen Akteure am Neumarkt für ihr Vorhaben zu gewinnen. Als sie das Projekt vor der Kunstkommission präsentierte, konnte sie ein gutes Dutzend größtenteils wichtiger Bauten vorweisen, deren Eigentümer Befundfenstern zugestimmt hatten. Eine beeindruckende architektonische Bandbreite kam dabei zusammen, die fast die komplette Baugeschichte des Areals abdeckte – vom Schloss über das in der späten DDR-Zeit errichtete heutige Hilton-Hotel bis hin zum umstrittenen „Quartier an der Frauenkirche (QF)“ aus der ersten Nachwende-Rekonstruktionsphase.

Der Künstlerin geht es mit den „Neumarktfenstern“ nicht darum, irgendein Gebäude oder einen Bauherrn bloßzustellen. Das Projekt nimmt nicht explizit Stellung zum Geschehen am Neumarkt; Binnewerg seziert einfach die verschiedenen Schichten der Fassaden – schließlich hat jede Zeit ihre eigenen baukonstruktiven Möglichkeiten und Gewohnheiten – und überlässt dem Betrachter die Wertung.

Und gewertet wurde in Dresden gleich von Anfang an sehr heftig. Nachdem das Projekt öffentlich wurde, brach in der Lokalpresse und in den üblichen von Altstadtfans frequentierten Internet-Foren ein regelrechter Shit-Storm aus: Wie es sein könne, dass man mit „Steuergeldern“ (dem Preisgeld von 20.000 Euro) mutwillig Neubauten zerstöre und das „Herz des Neumarkts“ herausreiße. Auch in der Stadtverwaltung fühlte sich offenbar manch einer provoziert. Da die Gestaltungssatzung jedoch nicht griff, um die Kunst-Aktion zu unterbinden, verlagerten sich die Angriffe auf deren vermeintlich „bautechnische Risiken“. Daraufhin stiegen u.a. das Sächsische Immobilien- und Baumanagement (SIB) und das Hilton-Hotel aus dem Projekt aus.

Letzten Endes konnte Anke Binnewerg mit dem Restaurator Eric Stenzel sechs neue Befundfenster realisieren. Die Künstlerin sieht diese als Ergänzung zu den bereits offen liegenden historischen Spuren am Neumarkt: die mittelalterliche Festungsmauer in der Tiefgarage, der Sandsteinbogen im Landhaus und die noch erkennbaren Originalteile der Frauenkirche. Um nach dem Ende des Projekts (am 20. September), die Öffnungen möglichst unauffällig wieder verschließen zu können, wählte sie meist erhabene Putzspiegel oder Teile der Rustizierung aus. Die Neumarktfenster enthüllen am Kurländer Palais und am Landhaus den bauzeitlichen Sandstein aus dem 18. Jahrhundert, bei den Bauten der Heinrich-Schütz-Residenz und an der Rampischen Straße 29 – in den vergangenen Jahren nach historischem Vorbild errichtet – Schichtungen aus Hochlochziegeln und mehrlagigen Wärmedämmputzen mit kleinen Styroporkügelchen und hinter einer herausgenommenen Fassadenplatte am zeitgenössisch gestalteten „Innside Hotel“ die stählerne Tragkonstruktion der Außenhaut.

Ein Befundfenster, das die Schichtung von tragender Stahlbetonwand mit barockverzierter Thermohaut zeigt, sucht man leider vergeblich. Denn mit ihrer multimedialen Empörung ist es den Freunden historisierender Kulissenarchitektur wieder einmal gelungen, einen kritischen Blick auf wirklich alle – guten wie schlechten – Facetten des Neumarkts zu verhindern.

 

Tanja Scheffler, Bauwelt Nr. 23.13, S. 2

Dresdner Morgenpost

Rathaus gibt 20 000 Euro für bizarre Kunstaktion

ANKE LÄSST FÜR VIEL GELD DEN NEUMARKT BRÖCKELN

Hammer und Meißel am Neumarkt – geht’s etwa den neuen alten Häusern schon an den Kragen? Nein, das ist Kunst: Anke Binnewerg (35) klopft Löcher in die Fassaden und macht einen Rahmen drum.

Zwischen Frauenkirche und Johanneum hören Touristen Hammerschläge, schauen irritiert nach oben. In vier Metern Höhe steht Anke Binnewerg auf einer Hebebühne, klopft den Putz bis auf die Ziegel ab, Brocken fallen auf den Gehweg. Sie hat vier verschiedene Schichten freigelegt.
Das Projekt nennt sich „Neumarktfenster“. „Ich will zeigen, was unter der perfekten Oberfläche ist. Es ist zwar aufwendig gemacht, aber eben nicht historisch“, sagt die Künstlerin. Sie hatte sich beim Wettbewerb der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum beworben und gewonnen. „Die Blicke in die Tiefe offenbaren in ihrer Gesamtheit die Restaurierungs- und Wiederaufbaugeschichte des Areals“, sagt Kulturbürgermeister Ralf Lunau (48, parteilos).
Die Künstlerin bekam dafür 20 000 Euro vom Rathaus, suchte zudem nach Sponsoren. Seit Januar warb sie bei Eigentümern, Hausverwaltern und Nutzern der Häuser am Neumarkt. Es hagelte einige Absagen. Bei Arturo Prisco (69), Betreiber des „QF“, rannte sie offene Türen ein. „Das ist sehr interessant. Wir müssen Wege finden, bei den Leuten ein größeres Interesse am Neumarkt zu wecken“, sagt er.
Nun sind an sechs Stellen – wie auch am Kurländer Palais oder am Hilton – diese Fenster zu sehen. Bis zum 8. September bleiben die Löcher in den Wänden, dann werden sie von Restauratoren wieder verschlossen. Angst um seine Fassade hat Arturo Prisco nicht: „Das wird kein Problem sein.“

Dresdner Morgenpost, Christian Hellermann, 18.5.2013, S. 5
  

Dresdner Morgenpost

Meine Meinung
KUNST & ,ENT-TÄUSCHUNG'

Welch ein bizarrer Anblick: Im Zwinger kämpfen Restauratoren mit viel öffentlichem Geld um den Erhalt des angeschlagenen Barockbaus. Und nur wenige Hundert Meter weiter löchert ein Künstlerin – ebenfalls für viel öffentliches Geld – die Fassaden der erst vor wenigen Jahren mit großem Aufwand nachgebauten Barockhäuser an der Frauenkirche.
Für die Mauerspechtaktion lautet die Erklärung: „Die Blicke hinter die Fassaden verhelfen dem kulissenartigen Stadtraum zu einer neuen Tiefendimension.“
Nun werden viele diese Art von Kunst als enttäuschend empfinden. Und sie haben damit völlig recht: Sie dient der „Ent-Täuschung“ über den historischen Gehalt der neuen Altstadtbebauung rund um die Frauenkirche. Denn natürlich ist kaum ein Stein der Häuser, die dort so alt aussehen, wirklich alt. Wer in den letzten Jahren die Neumarkt-Neubebauung verfolgt hat, konnte sehen, dass hinter den historisierenden Fassaden weite Teile aus Betonfertigwänden zusammengestapelt wurden, als seien’s Platten in Prohlis.
Welchen Erkenntnisgewinn die geschlagenen Löcher im Putz allerdings bringen sollen, bleibt rätselhaft. Denn es ist eine Binse, dass es hinter Fassaden anders aussieht als davor. Für den Barock, dem der neue Neumarkt nachempfunden ist, gilt das im Besonderen. Die Vortäuschung ist das Wesensmerkmal dieser Epoche: Stuck, Sandsteinornamente und Malerei sind nichts als Illusion. Ob sich hinter vermeintlich tragenden Säulen, Giebeln oder Türstürzen wie in alten Zeiten Ziegel, Lehm und Holz verbergen, oder heute eben Stahl und Beton – die auf Alt getrimmte „Vor-Täuschung“ ist im besten Sinne Barock. Am Neumarkt nun eben mit modernen Mitteln.
Hoffen wir, dass die Künstlerin jetzt nicht auf die Idee kommt, auch noch am Zwinger zu kratzen…

Dresdner Morgenpost, Gerhard Jakob, 18.5.2013, S. 4

Dresdner Neueste Nachrichten

BLICKE IN DIE TIEFE
"Neumarktfenster" will hinter die Fassade schauen

Wie die „Waldschlösschenbrücke spaltet auch der Dresdner Neumarkt die Bewohner der Stadt. Disneyland und Theaterkulisse oder identitätsstiftende Tradition? Touristisches Niemandsland oder Heimat mit Wohlfühlcharakter? Die Dresdner Künstlerin findet das Neumarktareal an vielen Stellen künstlich und kulissenartig. Sie möchte ihm mit ihren Mitteln „zu einer tieferen Dimension verhelfen“, wie sie sagt. „Bei zahlreichen Gebäuden handelt es sich um zeitgenössische Architekturen, die mit historischen Fassaden verkleidet sind. Auch historische Baukörper verbergen hinter ihren Gebäudehüllen neue Bereiche“, betont sie.
Dieses Doppelspiel aufzudecken und für eine begrenzten Zeitraum hinter die glatte Oberfläche zu schauen, ist Ziel des Kunstprojektes „Neumarktfenster“. Es ging im Rahmen eines Wettbewerbs der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt als Preisträger hervor. Aufgerufen waren einheimische Künstler, sich den Erfahrungen mit ihrer Stadt zu stellen. Binnewergs Idee der offenbarten Tiefenschichten des Altstädter Zentrums fand Zustimmung. Nicht zuletzt wurden dabei auch der kommunikative Charakter des Projektes, Recherche- und Arbeitsaufwand gewürdigt. Für die Umsetzung stehen 20 000 Euro zur Verfügung.

Störung des schönen Scheins

Die „Neumarktfenster“ sind kleine, weiß eingerahmte Quadrate an Gebäudefassaden, gewissermaßen eine mutwillige Störung des schönen Scheins, denn in dem Geviert werden Putzschichten entfernt und das Darunter wie Ziegel, Beton oder konstruktive Elemente offenbart. Der Schnitt in die Haut liefert ein Stück Geschichte nach, das bei Betrachtern verloren zu gehen droht. Binnewerg hat die Arbeitsweise der Archäologie und Denkmalpflege, partiell historische Schichten in einem Befundfenster freizulegen, auf ihr Projekt übertragen. Dabei ließ sie sich von ebensolchen Befundfenstern an Gebäuden der historischen Altstadt von Vilnius inspirieren.
„Das Gefühl, unter die Oberfläche schauen zu können, ist selbst bei zeitgenössischer Architektur faszinierend“, sagt sie. Ihre Fenster in die Tiefe sollten eigentlich nicht zwischen „historischen Neubauten“ und „historischen Altbauten“ unterscheiden und somit ein Betrag zur Versöhnung konträrer Ansichten sein, aber die Umsetzung hatte ihre Tücken. So seien die Eigentümer der Objekte Hilton, Polizeipräsidium, Johanneum und Kunstakademie kurzfristig aus dem Projekt ausgestiegen, teilt Binnewerg mit. Fenster wird es an Heinrich-Schütz-Residenz, an Landhaus, Hotel Innside, Rampischer Straße 29, am Hotel QF und am Kurländer Palais geben sowie eine Visualisierung an der Frauenkirche.
Die Aktion der Fassadenöffnung beginnt am 13. Mai an der Schütz-Residenz – übrigens unter restauratorischer Fachobhut wie auch das Verschließen der „Löcher“ – und wird je nach Witterung bis zum 17. Mai fortgesetzt. Ab 9. September kehrt dann die glatte Hülle zurück.

Dresdner Neueste Nachrichten, Genia Bleier, 11./12. Mai 2013, S. 11

 

Dresden Fernsehen

KUNST AM NEUMARKT - OFFENE FASSADEN LADEN ZUM ERKUNDEN EIN
Montag, 13. Mai 2013 16:45

Dresdner Amtsblatt

Neumarktfenster – Blicke hinter die Fassaden

Ein Projekt im öffentlichen Raum von Anke Binnewerg

Die Dresdner Künstlerin Anke Binnewerg legt mit ihrem Projekt „Neumarktfenster“ den Blick auf die Entstehungszeiten von zehn Gebäuden auf dem Neumarkt frei. Dafür öffnet sie Gebäudefassaden nach dem Prinzip archäologischer Befundfenster. Geöffnet sind diese für vier Monate, den Sommer über bis zum 20. September und laden ein, den Neumarkt und die Geschichte seiner Bauten zu erkunden.

Zum Auftakt des Kunstprojektes am Montag, 13. Mai, 10 Uhr an der Heinrich-Schütz-Residenz am Neumarkt 12, sind Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen. Der Leiter des Amtes für Kultur und Denkmalschutz, Manfred Wiemer, spricht über die Intentionen des Projektes. Anschließend wird das erste „Neumarktfenster“ an der Fassade der Heinrich-Schütz-Residenz freigelegt. Im Laufe der Woche folgen die übrigen neun Befundfester. Flyer mit Informationen zum Projekt und den Orten der Befundfenster sind ab 13. Mai kostenfrei in Boxen auf dem Areal des Neumarktes erhältlich.

Realisiert werden Anke Binnewergs „Neumarktfenster“ als eines von zwei Projekten, die von der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Dresden 2012 im Rahmen eines Realisierungswettbewerbs für Dresdner Künstlerinnen und Künstler ausgewählt wurden. Die Arbeiten sollten sich mit den alltäglichen Bedingungen in Dresden und den Potenzialen der alltäglich erlebten Stadt auseinandersetzen. Neben „Neumarktfenster“ wird ab Ende Juni auch André Tempels Installation „Amalia“ auf einer Verkehrsinsel in der Nähe des Rathauses entstehen.  

[…]

Dresdner Amtsblatt, Seite 3, Freitag 10. Mai

Dresdner Kulturmagazin

KUNST AM BAU

Neumarktfenster. Was genau steckt eigentlich hinter den barocken Kulissen rund um die Frauenkirche? Hohlblockziegel, Ytongsteine oder stinknormaler Beton? Das temporäre Kunstprojekt von Anke Binnewerg hilft bei der Beantwortung solcher Fragen. Nach dem Prinzip archäologischer Befundfenster hat die Künstlerin Schichten entfernt, um die darunterliegende Bausubstanz an zehn Gebäuden unterschiedlicher Entstehungszeit zu präsentieren. Die Fenster werden heute feierlich geöffnet und bleiben es bis September. Heinrich-Schütz-Residenz, 10 Uhr.

Dresdner Kulturmagazin, Ausgabe Mai 2013

kunstbahnhof v. 2/2008