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Ausstellung der Künstlerinnengruppe "pink tank" im Garten der Genossenschaft Kunst + Bau
Im Rahmen der Ausstellungsreihe Kunst - Frei - Raum, die alljährlich im Sommerhalbjahr zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen zur Auseinander-setzung mit einzelnen Kunstwerken aus dem Bestand des Skulpturengartens der Genossenschaft Kunst + Bau bittet, zeigt in diesem Jahr die Künstlerinnengruppe "pink tank" die Resultate ihrer Arbeit. Die Mitglieder der Gruppe sind Anke Binnewerg, Susan Donath, Dominique Fliegler und Carola Ilian, alle vier sind aufgrund ihrer Berufserfahrung mit künstlerischen als auch denkmalpflegerischen Prozessen vertraut, eine interessante Verknüpfung. Das Team gründete sich 2014 anläßlich eines Ideenwettbewerbs für Kunst im Öffentlichen Raum und ist mit der Ausstellung "TRIUMPF" (nicht Triumph!) nun das zweite Mal präsent. Ihr Augen- merk bei der Wahl eines Themas für die Exposition fiel auf die im Areal vorhandenen Formsteinwandteile.
Die Künstlerinnen knüpfen mit ihren neuentwickelten Werken an Gestaltungs-prozesse an, deren Ausgang in den fünfziger Jahren liegen. In ihrer Systematik finden wir Prinzipien des Bauhauses: Die Gestaltung mit vorgefertigten Elementen aus einem Baukastensystem geometrischer Grundformen, die zu einer Vielzahl ornamentaler Gestaltungen im architektonischen Kontext führten.
Das bevorzugte Material war Beton: Vielseitig formbar und preiswert, experimen-tierten Architekten und Künstler fast euphorisch damit. Gegossene Strukturflächen oder großformatige Bilder an Fassaden entstanden ebenso wie eine Vielzahl von Formsteinwänden, die in der Garten- und Landschaftsgestaltung als raum- gliedernde oder dekorative Elemente eingesetzt wurden.
Die Künstler der 1958 gegründeten Genossenschaft Kunst am Bau hatten sich früh dem Abstrakten zugewandt und entdeckten die elementar geformten Bausteine als abstraktes Arbeitsfeld und erweiterten es um das Material Keramik.
Die Formen glichen denen, die auf den Gartenbauausstellungen in Stuttgart, Karlsruhe, Hamburg oder Wien ausgestellt wurden, aber am Ende stehen einige eigene Entwicklungen. Rudolf Sitte, Egmar Ponndorf, Vinzenz Wanitschke, Dieter Graupner und Johannes Peschel erarbeiteten ein ganzes Programm, das auf einem sich wiederholenden Stein basiert, ausgeführt wiederum mit vielen unter- schiedlichen Arten von Steinen.
Parallel dazu haben Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht das serielle Formstein- system entwickelt, das sowohl als Architekturelement als auch gartenarchitek- tonisch einsetzbar ist.
Durch deckungsgleiche plastische Ausbildung aller Randzonen der zwölf Form- steinelemente ist die Kombination aller Steine miteinander möglich. Die formalen Möglichkeiten sind vielfältig und haben bis heute ihren Reiz nicht verloren. Einige Mitglieder des Vereins Freie Akademie Kunst und Bau wie Antje Kirsch und Janina Kracht beschäftigen sich seit längerer Zeit mit dem Thema der Formsteine und nutzen den Gestaltungsspielraum innerhalb der vorgegebenen Formenkanons in Kursen und Workshops.
Was hat die pink-tank-Gruppe nun entwickelt? Die vier ausgestellten Arbeiten greifen den Grundgedanken des Seriellen auf sowie die Beschränkung auf eine formale Grundkomponente sowie eine durchgängige Farbigkeit; sie greifen dann aber in der Ausführung zu ganz neuen Lösungen […]. In einem zweiten aus- gestellten Werk führt die Gruppe ein Detail ihres Entwurfs für den genannten Wettbewerb aus und beschäftigt sich dafür wiederum mit dem Großwandbild „Familie“ von Siegfried Schade. Das aus ca. 200 000 kleinen Keramikfliesen bestehende Kunstwerk füllte von 1979 bis 2003 die komplette Giebelwand eines Zehngeschossers in Dresden Prohlis und wurde nach dem Abriss des gesamten Wohnblocks in 30 Einzelteilen völlig unbehaust auf einem Bauhof am Stadtrand von Dresden abgelegt.
Die Künstlerinnen von „pink tank“ holten einige bereits von den Betonplatten abgefallene Steinplatten, aus denen das Wandbild einst bestand, reinigten sie und legten eine neue Mosaikfiguration zum Thema Familie, quasi ein Probestück und eine Vorarbeit für die geplanten neuen Familienbilder, die im besten Fall wieder ihren Platz an Prohliser Häuserwänden finden.
Claudia Reichardt, Dresdner Nachrichten, 25.08.2016, Seite 8.